Abb. oben: Fassadenriss von Robert Pfaud

     
 

Maximilianstraße 48

[bis 1938 Lit. B 17]

 

Patrizierhaus

 

Im Kern aus dem 16. Jahrhundert, Fassade Anfang des 19. Jahr-
hunderts verändert

 

Südliche Altstadt

 

 

Autor: Gregor Nagler

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Eine vornehme Wohnadresse

Das so genannte Höhmann-Haus, Maximilianstraße 48 (bis 1938 Lit. B 17) liegt benachbart dem Schaezlerpalais (1765-1770) am ehemaligen Weinmarkt. Dieser lang gezogene Marktplatz war im Norden durch das Tanzhaus (1453) und im Süden von Elias Holls Weinsiegelhaus (1604) begrenzt und von Adriaen de Vries' Herkulesbrunnen markiert. Er bildete nicht nur das Zentrum wichtiger gesellschaftlicher Ereignisse (Reichstage, Prozessionen, Wettkämpfe), sondern zählte mit besonders tiefen Grundstücken an der Westseite zu den ersten Wohnadressen der Stadt. Durch den Abbruch der Bauten auf dem Platz (1626/33 und 1809) entstand sukzessive die heutige, weite Prospektstraße mit Fernblick nach St. Ulrich und Afra. Die Maximilianstraße wurde so zur ersten klassizistischen Prachtstraße des Königreichs Bayern. Abermals wandelte sich das bauliche Umfeld durch den Hallstraßen-Durchbruch (1880/81). Die Kriegseinwirkungen 1944 änderten dagegen wenig an der stadträumlichen Konzeption der Maximilianstraße.

Das ideale Augsburger Bürgerhaus mit Hof und Garten

Das heutige Erscheinungsbild des repräsentativen Bürgerhauses ist Ergebnis einer bis ins 16. Jahrhundert reichenden Bau- und Nutzungsgeschichte. Das Anwesen entstand durch Zusammenlegung zweier Parzellen, wobei ältere Kellergewölbe und Erdgeschosswände mit einbezogen wurden. Die großzügige Anlage entsprach den funktionalen und repräsentativen Bedürfnissen ihrer Bewohner. Sie besteht aus einem traufständigen Vorderhaus mit Satteldach, einem regelmäßig geformten, mit Lechkieseln gepflasterten Wirtschaftshof zwischen zwei schmalen, einfach gestalteten Abseiten, die vorwiegend als Lager- und Gesinderäume genutzt wurden, sowie einem rückwärtigen Garten. Hof und Garten sind durch eine reich gegliederte, fünfbogige Arkadenwand von Elias Holl von ca. 1620 getrennt, deren italisierende Motivik mit Pilastern, Gesimsen, manieristischen Sprenggiebeln sowie dem zentral gestellten, kupfergetriebenen Reichsadler sich auch an Holls öffentlichen Augsburger Bauten wiederfindet. In der Arkadenwand fand der für Augsburger Großbürgerhäuser obligatorische Hofbrunnen einen besonders exponierten Platz.

 

Die Innendisposition des viergeschossigen Vordergebäudes ist typisch für Augsburger Handelshäuser. Durch das Einfahrtstor mit geschnitzten Flügeln und eingestellter Haustür gelangt man in eine mit Holzbohlen gedeckte Durchfahrt, die Innenhof und Treppenhaus erschließt. Das seitlich gelegene, vom Hof belichtete dreiläufige Treppenhaus mit seinen intarsierten Podesten und Terrazzoböden ist von einem 1764 entstandenen Deckenfresko des letzten Augsburger Akademiedirektors Johann Joseph Anton Huber überwölbt (1934 von Otto Michel Schmitt und 1970 ein weiteres Mal restauriert). Es zeigt in einer Scheinkuppel den Sturz Phaetons und die Trauer der Heliaden.

 

Die heutige, zurückhaltende Putzgliederung der Fassade mit ihren beiden Flacherkern entstand zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Sie wurde 1922 restauriert und gelb gefasst. Im Februar 1944 wurde die nördliche Abseite durch Kriegseinwirkung beschädigt und nur teilweise wiederaufgebaut. Auch die Hauskapelle mit einer ebenfalls von Johann Joseph Anton Huber geschaffenen Ausstattung wurde 1944 zerstört, das Fresko ist aber zumindest durch einen farbigen Aufnahmeplan dokumentiert, den die Kunstsammlungen und Museen Augsburg verwahren. Die einzelnen Geschosse wurden im 20. Jahrhundert in Etagenwohnungen aufgeteilt, weitere Wohnungen fanden in den Abseiten Platz.

Wohlhabende Besitzer

Aufgrund seiner zentralen Lage und seiner Architektur wies das Gebäude – ein sprechendes Zeugnis der großbürgerlichen Wohnkultur in Augsburg – zahlreiche wohlhabende Besitzer auf, zunächst vor allem Handelsleute. Im 16. Jahrhundert ist Ulrich Herwarth als Besitzer verzeichnet, seit 1580 mehrere Mitglieder der Familie Christel, schließlich seit 1615 Hieronymus Fugger ("Erzherzog Leopolds Rath und Kämmerer"), ab 1665 Arnold Schanternell ("S.K.M. Hof Silber Handelsmann") sowie ab 1706 Elias Matthäus Miller. Der berühmteste Besitzer, Graf Friedrich Magnus zu Castell Remlingen, blieb jedoch aus gutem Grund "inkognito". Er besaß kein Augsburger Bürgerrecht und erwarb die begehrte "Schandernellische Behausung ob dem Wein Markht nechst dem Sigelhaus gelegen" für 10.700 Gulden über seinen Strohmann Heinrich Maurmann, der 1709 in den Grundbuchauszügen genannt ist. In einem Vertrag versicherte der Graf, alle Abgaben und Steuern zu übernehmen.

Graf Castell und die Türkin Fatme

Für Graf Castell wurde das spätere Höhmann-Haus zum Schauplatz einer ungewöhnlichen Liebesbeziehung. Als General der Kavallerie hatte er 1703 vom Markgrafen von Baden, dem so genannten "Türkenlouis", eine anmutige und gebildete, aus Ofen (Budapest) verschleppte "Beutetürkin" namens Fatme erhalten, die Tochter eines osmanischen Paschas. Vermutlich diente das Haus in Augsburg als komfortables Liebesnest, fernab der fränkischen Heimat des zwar verheirateten, aber von seiner Frau Susanna Johanna zu Oettingen-Oettingen getrennt lebenden Grafen. Dieser heiratete 1714 als Witwer die inzwischen zum Christentum konvertierte, nun Maria Anna Augusta Coelestina Fatme genannte Türkin, die dadurch in den Adelsstand aufstieg. Laut Testament vom 9. Mai 1714 vermachte der Graf seiner Frau das Haus am Weinmarkt mit dem gesamten Inventar. Fatme zog jedoch schon 1724, sieben Jahre nach Castells Tod, in das Kloster Markdorf nördlich des Bodensees, wo sie 1755 verstarb.

Bankierssitz, Augenheilanstalt und Kunstgalerie

Die weitere Hausgeschichte liest sich profaner. Das Anwesen wurde nun vornehmlich von Bankiers bewohnt. Im Jahre 1768 verkauften Joseph von Kuen und Agatha Dorothea von Ruffin eine Hälfte der Liegenschaft an Benedikt Adam Liebert von Liebenhofen, die andere an Leonhard Franz Ducrue. Letzterer übergab noch im gleichen Jahr "Wohnhaus (...) und alle (sic) zum Gottesdienst gewidmete Zubehör, Garten und gewölbte Schreibstube" an den Bankier Ignatz Ducrue. Im 19. Jahrhundert lebten hier Christoph (seit 1827) und Albert von Frölich (seit 1855) sowie Graf Alexander Guiot Du Ponteil, der in die Familie Frölich eingeheiratet hatte. Seine Gattin ist im Hausbogen 1875 als Besitzerin aufgeführt. 1922 erwarb die Hansabank das Haus von Oskar von Frölich, der aber weiterhin eine der Etagen bewohnte. Die Bank nutzte Teile der Anlage gewerblich und vermietete die restlichen Wohnungen.

 

Schließlich kauften Dr. Hans Höhmann und seine Frau Anna das Gebäude und betrieben hier ab 1936 eine Augenheilanstalt. Auf testamentarischen Wunsch seiner Tochter Dr. Ruth Höhmann ging das Haus im Jahr 2004 in den Besitz der Stadt Augsburg über. Einige der von Frau Höhmann angekauften Ausstattungsstücke wie die Kaiserbüsten in der Durchfahrt blieben an Ort und Stelle. Die Räumlichkeiten werden zum Teil als Kunstgalerie und Restauratorenwerkstätten der Kunstsammlungen und Museen Augsburg genutzt, die Wohnungen in den Obergeschossen sind vermietet.

 

 

Verwendete Materialien

 

Gedruckte Quellen

Adressbuch für Augsburg (1841-1897)

Augsburger Adressbuch (1898-1921)

Einwohnerbuch für Augsburg (1922-1956)

Adressbuch der Stadt Augsburg (ab 1957)

 

Stadtarchiv Augsburg

Reichsstadt, Grundbuchauszug Lit. B 17

Hausbogen Lit. B 17

Polizeibogen Maximilianstraße 48

 

Fürstlich Castell'sches Archiv

UA A b III 5, 6

UA A b III 5, 13

 

Abbildungen

- Stadtarchiv Augsburg

- Rainer Ackermann

- NL Robert Pfaud

- Kunstsammlung und Museen Augsburg

- Gregor Nagler

 

 

Literatur

 

Fürmetz, Gerhard / Nerdinger, Winfried / Wolf Barbara (Hg.):

Häusergeschichte(n). Augsburger Häuser und ihre Bewohner.

Augsburg 2009, S. 6-9.

 

Hagen, Bernt von / Wegener-Hüssen, Angelika:

Denkmäler in Bayern. Band VII. 83: Stadt Augsburg. Ensembles,

Baudenkmäler, Archäologische Denkmäler. München 1994, S. 312-313.

 

Pfaud, Robert: Das Bürgerhaus in Augsburg. Tübingen 1976.

 

Stadt Augsburg (Hg.): Tag des offenen Denkmals 2002:

Augsburger Palais-Bauten. Augsburg 2002.

 

Zorn, Wolfgang: Augsburg und die Türken 1385-1918. Ein historischer

Rückblick und eine fällige Erinnerung. In: Zeitschrift des Historischen

Vereins für Schwaben 89 (1996), S. 139-155.